„Wir haben als eine der ersten Schweizer Firmen in AR investiert

Inside-channels.ch hat mit unserem AR-Chef Reto Grob über Entwicklung, Chancen und Risiken von Augmented Reality gesprochen.

Verschiedene Marktforschungsunternehmen schätzen, dass der globale Markt für Augmented-Reality-Lösungen bis ins Jahr 2021 auf 24 bis sogar 83 Milliarden Dollar anwachsen werde. Und dies obwohl bezüglich der Technologie, die virtuelle Realität mit der realen Umgebung kombiniert, alles andere als ein Hype herrscht. Zumindest wenn man den Analysten von Gartner Glauben schenkt, die AR im neusten „Hype Cycle“ im „Tief der Desillusion“ verorten.

Es handelt sich also durchaus um eine Technologie, die in den nächsten Jahren grössere Marktverbreitung finden könnte. Auch hierzulande wird an AR-Anwendungen getüftelt. So hat etwa Netcetera früh in den Bereich investiert und beschäftigt derzeit ein Team von neun Spezialisten in einer Abteilung, die dediziert Augmented-Reality-Lösungen austüftelt.

„Die Nachfrage nach AR-Anwendungen nimmt stetig zu.“

Schon bei der Veröffentlichung der letzten Halbjahreszahlen hatte die Zürcher Softwareschmiede betont, dass man im AR-Bereich eine grosse Nachfrage verzeichne. Es handelt sich dabei aber bislang ausschliesslich um Pilotprojekte, unter anderem für die SBB, den Technologie-Konzern Bühler, den Gleisbauspezialisten Müller, das Verkehrshaus Luzern und das Inselspital Bern.

Während eines Hintergrundgesprächs mit inside-channels.ch am Hauptsitz von Netcetera versichert Reto Grob, Head of AR beim Softwarehaus: „Augmented Reality ist langfristig ein grosses Thema bei Netcetera, darum haben wir als eine der ersten Schweizer Firmen in diesen Bereich investiert und gezielt Projekte in Angriff genommen. Die Nachfrage nimmt kontinuierlich zu“. Der Software-Architekt, der seit eineinhalb Jahren die Abteilung leitet, zieht den Vergleich zu mobilen Plattformen. Diese steckten Anfang der 2000er noch in den Kinderschuhen, sind aber mittlerweile kaum mehr aus dem Alltagsgebrauch wegzudenken.

Wir wollten unter anderem wissen, wieviel Netcetera in die Technologie investiert hat und ob die Firma damit schon Geld verdient. Zudem interessierte uns, wie es mit der Marktentwicklung aussieht und was die grössten Hindernisse für die breite Anwendung von AR im Businessbereich sind.

„Wir bewegen uns Richtung Gewinn.“

Man habe in den letzten beiden Jahren viel in AR investiert und die Entwicklungsressourcen aufgestockt, so Grob. Zu konkreten Zahlen will sich der „Godfather“ des Bereichs jedoch nicht äussern. Wenn man sich die Grösse der Abteilung anschaue, könne man sich den Umfang der Investitionen aber ungefähr vorstellen. Die neun AR-Spezialisten arbeiten in Zürich und am Nearshoring-Standort Skopje in Mazedonien – wobei sie teilweise auch für andere Bereiche eingesetzt werden.

Die Ausgaben würden sich durch die Auftragslage rechtfertigen, so Micaëla Raschle Grand, die das Marketing und die Kommunikation der Abteilung verantwortet. Aber auch was Umsatz und Gewinn angeht, lässt man sich bei Netcetera nicht in die Karten blicken. „Wir sind nahe beim Break Even Point“, so AR-Chef Grob lediglich. Und man habe einen guten Outlook und Plan für die nächsten zwölf bis achtzehn Monate. „Wir bewegen uns Richtung Gewinn“.

Gerade eben habe man zwei weitere Kunden aus der Industrie gewinnen können. Das Wirtschaftssegment ist der Hauptfokus von Netceteras AR-Abteilung: Von Wartung und Qualitätskontrolle über Schulungen bis zum Verkauf könne die Industrie von der Technologie profitiere. Viele Firmen würden hier bereits pilotieren, aber erst wenige Anwendungen seien produktiv, so Grob. Es handle sich dabei aber keineswegs um Spielereien, sondern um solide Projekte, ergänzt Raschle Grand: „AR wird insbesondere zur Produktivitätssteigerung eingesetzt.“ Die Kunden machten gute Erfahrungen, so dass man positive Rückmeldungen erhalte, versichert die „Storytellerin“ der Abteilung.

In der Wartung im Industrie-Bereich erwartet man bei Netcetera das grösste Wachstum. Schwieriger für Business-Cases seien hingegen etwa die Bereiche Gesundheit und Schule, in denen AR-Anwendungen durchaus auch sinnvoll wären. „Wir sehen hier grössere Hindernisse, was Regulierung, Geldgeber und Politik angeht“, erklärt Grob.

Technische und finanzielle Hürden

Generell zeigt sich Grob optimistisch für die Zukunft. „Ich sehe keine grossen Gefahren oder Hürden, der Markt wächst“, so der Informatiker mit ETH-Abschluss. Nachdem man 2017 von Seiten Netcetera im gesamten Ökosystem noch vor allem Awareness schaffen wollte, gehe es im laufenden Jahr hauptsächlich um konkrete Anwendungen.

Allerdings habe man keinen Einfluss auf die Entwicklung der Hardware, etwa die AR-Brillen Hololense und Magic Leap One, die bei Netcetera eingesetzt werden. Probleme sind derzeit etwa noch das eingeschränkte Sichtfeld, aber auch der happige Preis verhindere eine breitere Anwendung.

Die Brillen sind im Industriebereich allerdings wichtig, weil man im Gegensatz zu Smartphones oder Tablets beide Hände für die Arbeit frei hat. Hingegen glaubt Grob, dass sich in den nächsten beiden Jahren AR-Apps für normale Smartphones und Tablets schneller verbreiten werden. Auch hier sei man gut aufgestellt. Netcetera verfügt über ein grosses Team an iOS- und Android-Entwicklern, die bei der Entwicklung von mobilen AR-Lösungen eingesetzt werden.

Ein genereller Bremsfaktor sei derzeit, dass kundenseitig die „monetäre Validierung des Einsatzes von AR“ noch fehle. „Firmen sehen zwar das Potential, aber die Budgets fehlen teilweise noch“, fasst Grob zusammen. „Ich bin aber zuversichtlich, dass sich die Zahl in naher Zukunft merklich erhöhen wird.“

Netecetera sei dafür gut gerüstet, so Raschle Grand. Konkurrenz kriegt das Zürcher Softwarehaus unter anderem von ERP-Anbietern, so bietet etwa SAP unter dem Leonardo-Dach entsprechende Lösungen. Darauf angesprochen verweist die sie darauf, dass die Lösungen von Netcetera spezifischer und schnell „up and running“ seien. „Unsere Kunden schätzen es, dass sie unsere Lösungen rasch und konkret im Unternehmen testen und so Lernerfahrungen für die nächste Iteration machen können“, so Raschle Grand.

Das Interview wurde von Thomas Schwendener geführt und ist auf inside-channels.ch publiziert.

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